Galerie des violons

Schweizer Geigenbau
- Geigenbau in der Schweiz

(Kurzfassung des Artikels von Hansruedi Hösli)

Bei Lütgendorff, in seinem großen Nachschlagewerk über den Geigenbau, ist in der dritten Auflage von 1923 zu lesen: “Die Gebirgsbewohner in der Schweiz haben keine Vorliebe für Streichinstrumente gehabt”. Und Eduard Hanslick, ebenfalls ein Kenner der Szene, schrieb 1857: ”Die Schweiz, diese Schatzkammer an Naturschönheiten, ist im Vergleich zu ihren europäischen Nachbarn ein sehr tonarmes Land.” Schuld an dieser Armut war unter anderem die kulturfeindliche Haltung im Anschluss an die Reformation.  
Erst der beginndende Tourismus und das aufstrebende Bildungsbürgertum ermöglichte es Geigenbauern in der Schweiz, in vergleichbaren Umständen wir ihre Kollegen in den Nachbarländern Instrumente zu bauen und instandzuhalten. Geigenbauerorte wie Mittenwald, Markneukirchen oder Mirecourt gab es aber nie in der Schweiz.  

Um 1800 arbeiten Waser, Borel, Suter, Schiltter als Geigenbauer. Sie hatten noch nicht den Standard ihrer Kollegen in den Nachbarländern. Dies gilt schon eher für die nächste Generation: Pupunat – "Pupunatus" – in Lausanne ist ein aus Frankreich eingewanderter Schreiner der sich autodidaktisch zu einem wichtigen Geigenbauer ausbildete.

In Bern kam Methfessel als Sohn eines deutschen Musikdirektors zu Ansehen. Sein Schüler und Nachfolger im Geschäft war Gustav Lütschg, der später seinen Bruder Gerhard Lütschg ausbildete.

Wie Methfessel war auch der in Zürich wirkende, aus Schönbach stammende Anton Siebenhühner Mitarbeiter und Schüler bei Lemböck in Wien gewesen.

Der Einfluss vom bayrischen Mittenwald war eher gering. Pierre Vidoudez aus Genf war wohl der bekannteste Mittenwalder-Abkömmling der jüngeren Vergangenheit. Auch Carl Mächler aus Zürich lernte in Mittenwald und lehrte seinerseits seinen Bruder Willi.

Etwas größer ist der Einfluss von Mirecourt in den Vogesen gewesen. Es lernten dort ihr Handwerk Vater A. Vidoudez aus Genf, der Neuenburger Maurice Dessoulavy, beide bei Gustav Bazin, und der in Basel ansässige Simoutre.  Bei ihm arbeitete der Markneukirchner Paul Meinel und übernahm schließlich dessen Geschäft, als Simoutre weiterzog.

August Meinel und Emil Züst waren als Ausbildner besonders wichtig. Zu August Meinels Schülern zählte Reinert aus dem Schwarzwald, der in La Chaux de Fonds Instrumente für den Export "fabrizierte". In Basel war es Fritz Baumgartner sen., der sich nach der Weiterbildung beim Bogenmacher August Rau 1920 in Basel selbständig machte. Sein Name ist uns heute in der dritten Generation geläufig. Schließlich ist Adolf König, der erste Lehrer der Geigenbauschule Brienz, seinerseits ein Meinel-Abkömmling.

Bei Emil Züst, der in München bei Wilhelm Markes lernte, wurden Fritz Sprenger aus St. Gallen (dessen Geschäft ebenfalls in dritter Generation fortbesteht), Oskar Bischofberger (auch sein Name als Geigenbauer ist in dritter Generation in den USA fortbestehend), Paul Bänziger (Züsts Schwiegersohn) und Eugen Tennuci ausgebildet.

Der Einfluss von Markneukirchen auf den Schweizer Geigenbau ist unübersehbar. Nachdem Züst Jecklin aufgekauft worden war, führte dort in diesem Musikhaus Werner Wurlitzer aus Markneukirchen die Werkstatt drei Jahrzehnte weiter. Pierre Gerber ist Schüler von Richard Meinel, einem Markneukirchner Geigenbauer, der für Foetisch in Lausanne arbeitete. Henry Werro lernte vor dem 1. Weltkrieg bei August Wunderlich ebenfalls in Markneukirchen. Ferner muss man noch zwei Gäste erwähnen: Giuseppe Fiorini als Italiener aus München und Georg Ulmann als Deutscher aus Mailand, beide sind mit ihren Arbeiten als über die Zeitgenossen herausragende Fachleute bekannt.

Die jüngere Geschichte des Geigenbaus in der Schweiz ist von der Gründung der Brienzer Schule im Jahr 1944 stark beeinflusst. Adolf König wurde mit deren Leitung und Aufbau betraut. 1952 übernahm der Kanton Bern die Schule. Königs Nachfolger war sein ehemaliger Schüler Ulrich Zimmermann. Er unterrichtete zusammen mit dem in Mittenwald ausgebildeten Hugo Auchli.

Mit Hansruedi Hösli als neuem Schulleiter wurde die einst kantonale Institution Schritt für Schritt in die Geigenbauschule Brienz, wie sie heute schlicht heißt, überführt. Das Defizit des Betriebs Geigenbauschule Brienz wird seit 2000 von der 1998 gegründeten Stiftung Geigenbauschule Brienz aufgefangen. Zusammen mit Hösli unterrichten Simon Glaus als Fachlehrer und seit Herbst 2003 Jean Jacques Fasnacht als Referent im Fachgebiet Restauration an der Schule. Alle drei Fachlehrer sind ehemalige Absolventen der Brienzer Schule und bildeten sich im Ausland weiter. Hösli in Cremona und Rom, Glaus und Fasnacht in Berlin und Den Haag. Bis 2003 wurden an der Geigenbauschule in Brienz während der verschiedenen Zeitabschnitte 120 Geigenbauerinnen und Geigenbauer ausgebildet.